Von der Freundschaft zur Geschlechterfreundschaft
In Geschlechterfreundschaft: Freundschaft hatte ich mal zusammengetragen, welche Merkmale wir bisher zum Thema Freundschaft gefunden haben. Der dort definierte Begriff ist auf der individuellen Ebene - er beschreibt die Freundschaft zwischen zwei Freunden. Dabei sind die Geschlechter der Freunde unerheblich.Nun geht es in der Gruppe aber um eine überindividuelle Ebene der Freundschaft zwischen den Geschlechtern. Ich will daher die dort gefundenen Merkmale für die individuelle Beziehung mal darauf abklopfen, inwiefern sie - aus meiner Sicht - für ein überindividuelles Geschlechterverhältnis von Bedeutung sein könnten oder müssten. Das wäre für mich ein erster Einstieg in die Vision.
Bei der Durchsicht der Merkmale zeigt sich, dass manche Merkmale nur für die individuelle Freundschaftsbeziehung sinnvoll sind. Insbesondere alles, was dort zum Freundschaftsprozess gesagt wird, lässt sich nicht sinnvoll auf ein Geschlechterverhältnis übertragen. Ich betrachte daher hier nur die statischen Merkmale. Ich beginne mit den Merkmalen, die sich übertragen lassen und führe in einer zweiten Liste auf, was sich nach meinem Dafürhalten nicht sinnvoll auf die überindividuelle Ebene übertragen lässt.
- Sympathie, Zuneigung, miteinander Wohlfühlen
Unter Bedingungen von Geschlechterfreundschaft wären Sympathie, Zuneigung und miteinander Wohlfühlen der Regelfall für die Haltung zum anderen Geschlecht. Dadurch würde der Krieg zwischen den Geschlechtern beendet und das Mißtrauen wäre durch Sympathie ersetzt. Das Merkmal muss also übertragen werden.
- Verbundenheit
Das Merkmal Verbundenheit würde ich auf die überindividuelle Ebene übertragen als ein gemeinsames Verständnis als Menschen. Die Aufteilung in Männer und Frauen wäre für die Dinge reserviert, bei denen diese Aufteilung Spaß macht.
- Eine Freundschaft macht die Freunde glücklicher
Das ist ja die zentrale These der Gruppe, dass Geschlechterfreundschaft die Geschlechter glücklicher macht. Dieses Merkmal muss also übertragen werden.
- Freundschaft existiert jenseits abstrakter Nützlichkeit
Auch dieses Merkmal lässt sich übertragen: Das andere Geschlecht wird nicht einfach nur als abstrakt nützlich angesehen, weil es für mich eine bestimmte Funktion erfüllt. Vielmehr wird das andere Geschlecht als eine Gruppe konkreter, ganzheitlicher Menschen angesehen.
- Geistige Intimität ist möglich
Als Möglichkeit würde ich dieses Merkmal mit in die überindividuelle Ebene nehmen. Da würde es wohl bedeuten, dass es zwischen den Geschlechtern keine generellen Tabuthemen gibt.
- Körperkontakt ist leichter möglich
Auch dieses Merkmal sollte auf die überindividuelle Ebene mitgenommen werden. Dort würde es bedeuten, dass Körperkontakt vor allem zwangloser, unbefangener möglich ist als heute.
- Tiefes Verständnis füreinander
Dieses Merkmal müsste auch mit auf die überindividuelle Ebene genommen werden. Dort würde es bedeuten, dass wir das andere Geschlecht besser kennen und verstehen.
- Akzeptanz und Respekt
Die Akzeptanz des So-Seins des anderen Geschlechts und der Respekt voreinander müssen für die überindividuelle Ebene gelten.
- Ehrlichkeit, Echtheit, Offenheit
Dieses Merkmal würde auf der überindividuellen Ebene bedeuten, dass auch Dinge ausgesprochen werden können, die heute zwischen den Geschlechtern beschwiegen werden.
- Kein Machtgefälle
Geschlechterfreundschaft kann in unserem Wertesystem nur existieren, wenn zwischen den Geschlechtern kein Machtgefälle existiert. Dieses Merkmal gehört also mit auf die überindividuelle Ebene.
Diese statischen Merkmale lassen sich m.E. nicht sinnvoll auf eine überindividuelle Ebene heben, da sie nur in der individuellen Ebene sinnvoll sind.
- Gegenseitigkeit
- Hilfsbereitschaft
- Freiwilligkeit
- Vertrauen
- Zuverlässigkeit, Verbindlichkeit, Treue
- Auf Langfristigkeit angelegt
- Bindung
- Freundschaften können tiefer und weniger tief sein
- Beliebige Formen der Begegnung
Wenn man sich die Liste der übertragbaren Merkmale so anschaut, dann stellt man schnell fest, dass Vieles davon ganz allgemein als Wunschvorstellungen für das Verhältnis von Menschen untereinander gelten kann. Leider ist das heute aber jedenfalls zwischen den Geschlechtern durchaus nicht immer gegeben - und auch innerhalb eines Geschlechts oft nicht. Sie müssen daher Bestandteil einer Vision sein. Wenn wir den Tag erleben, an dem uns das als selbstverständlich und nicht der Rede wert erscheint, dann leben wir in der Freundschaft zwischen den Geschlechtern .
Liebe Grüße
Stefan